Mami-Tochter-Ferien | Von emotionalen Ausrastern und der wahren Liebe

By on 18. August 2021, in Inspirationen

Letzte Woche verbrachte ich eine offline Woche mit meiner Tochter im Schwarzwald. In meiner Vorstellung würden wir schöne Ausflüge machen und während des Mittagsschlafs und am Abend könnte ich schreiben. Aber wie so oft seit ich Mami bin, kam es 1. anders, und 2. als gedacht…

Bereits in der Woche davor konnte Kira plötzlich keinen Mittagsschlaf mehr machen und dafür fielen ihr bereits um 18:30 Uhr während des Abendessens die Augen zu. Entsprechend war sie am nächsten Tag auch jeweils bereits um 06:00 wieder wach. Und das passte so gar nicht in meinen südländischen Rhythmus… War sie am Zahnen? Oder am Wachsen? Spürte sie etwas Anderes, das sie beschäftigte? Was es auch war, es war anstrengend. Für mich, und bestimmt auch für Kira selbst. Dieser kleine Mensch, den ich aus tiefstem Herzen liebe, brachte mich in diesen Tagen enormst an meine Grenzen.

Sie ass nicht richtig, war quengelig und trotzig. Und ich sehr gereizt, da ich mit dem neuen Rhythmus natürlich viel zu wenig Schlaf hatte… Keine gute Kombi. Nichts funktionierte, kein Plan ging auf. Absolutes Chaos. Mama am Limit… Ich hatte meine Tochter überhaupt nicht im Griff. (Geht das überhaupt? Einen anderen Menschen im Griff haben? Und ist das erstrebenswert? Mich erinnert dies ehrlich gesagt eher an dressierte Tanzbären und schon das finde ich schrecklich…).

Wie oft hätte ich dies zuhause meinem Mann schon unbewusst übergebraten und ihn angezickt. Meinen Frust und meine Überforderung an ihm ausgelassen. Aber jetzt war ich mit Kira alleine in der Ferienwohnung meiner Oma. Und die kritischen Blicke der Nachbarn waren nicht gerade förderlich für eine entspannte Atmosphäre. Ganz im Gegenteil! Ich spürte so viel Druck wie schon lange nicht mehr. Ganz am Anfang als ich ganz frisch Mami war kannte ich dieses Gefühl der Überforderung gut. «Ah Sie sind die Enkeltochter, ja schön, geniessen Sie Ihren Urlaub!» Urlaub? Geniessen? Haha.

Als meine Tochter dann trotz offensichtlicher Müdigkeit wieder partout keinen Mittagsschlaf machen wollte, konnte ich nicht mehr. Sie habe noch Hunger – und das direkt nach dem Mittagessen. Nein, jetzt reichts. Ich schaute ihr in die Augen, in mir kochte es und es schrie aus mir heraus: «Fertig, ich kann nicht mehr. Wir haben gerade gegessen. Es gibt jetzt nichts. Du hast dann zu essen, wenn es zu Essen gibt. Jetzt wird geschlafen.» Kira schaute mich ganz schockiert mit grossen Augen an: Aber sie habe noch Hunger. Nein, ich bleibe konsequent. Nach einer weiteren Viertelstunde hin und her meinte Kira nochmals ganz vehement, dass sie Hunger habe. Okay. Durchatmen, Mutter. «Lass uns verhandeln», habe ich zu meiner 22-monatigen alten Tochter gesagt, «du bekommst jetzt noch eine Reiswaffel und dann schläfst du dafür. Und ab sofort isst du wieder, wenn wir essen, damit du danach keinen Hunger mehr hast, okay?» Sie nickte mir zu, ass ihre Reiswaffel und schlief danach seelenruhig ein. Wow, das habe ich nicht erwartet.

Ich setzte mich auf den Sitzplatz. Was war denn da gerade passiert? Wie konnte ich meine Tochter nur so anbrüllen? Ich hatte ein richtig schlechtes Gewissen. Sämtliche Gedanken schossen mir durch den Kopf und ich sass einfach da, schaute in die prachtvolle, saftig grüne Natur vor mir und atmete tief ein und wieder aus. Da fiel mir das folgende Zitat ein:

«Sprich mit deinen Kindern, als wenn sie die weisesten, liebenswürdigsten, schönsten und wundervollsten Menschen der Welt wären.
Denn das, was sie über sich glauben, ist was sie später werden.»
Brooke Hampton

Ja stimmt! Das sind meine Werte! Das möchte ich meiner Tochter vermitteln. Damit ich diesem Anspruch an mich selbst wieder Rechnung tragen kann, muss ich allerdings erst mit mir selbst im Reinen sein. Mich nicht von verletzen Gefühlen, Projektionen oder Ego-Geschichten leiten lassen, sondern den Blick fürs grosse Ganze wahren. Denn dann erkenne ich sofort, dass es auch absolut in Ordnung ist, wenn ich mal überreagiere und nicht nach meinen Werten handle und dass das völlig normal ist. Und dass dies meine Tochter nicht aus der Bahn werfen wird. Und mich auch nicht. Atmen, Mutter, du musst nicht perfekt sein. Entspann dich. Alles ist gut.

Es war eine glückliche Fügung, dass ich das Buch Siddhartha von Hermann Hesse dabei hatte und so versank ich den restlichen Mittagsschlaf in der Lektüre: «Die blinde Liebe einer Mutter zu ihrem Kind, den dummen, blinden Stolz eines eingebildeten Vaters auf sein einziges Söhnlein, das blinde, wilde Streben nach Schmuck und nach bewundernden Männeraugen bei einem jungen, eitlen Weibe, all diese Triebe, alle diese Kindereien, alle diese einfachen, törichten, aber ungeheuer starken, stark lebenden, stark sich durchsetzenden Triebe und Begehrlichkeiten waren für Siddhartha jetzt keine Kindereien mehr, er sah um ihretwillen die Menschen leben, sah sie um ihretwillen Unendliches leisten, Reisen tun, Kriege führen, Unendliches leiden, Unendliches ertragen, und er konnte sie dafür lieben, er sah das Leben, das Lebendige, das Unzerstörbare, das Brahman in jeder ihrer Leidenschaften, jeder ihrer Taten. Liebenswert und bewundernswert waren diese Menschen in ihrer blinden Treue, ihrer blinden Stärke und Zähigkeit. Nichts fehlte ihnen, nichts hatte der Wissende und Denker vor ihnen voraus als eine einzige Kleinigkeit, eine einzige kleine Sache: das Bewusstsein, den bewussten Gedanken der Einheit alles Lebens.»
(Auszug aus «Siddhartha» von Hermann Hesse)

Diese Zeilen machten mich unendlich ruhig. Als Kira wieder aufgewacht ist, strahlte sie mich an. Ich nahm sie in den Arm, entschuldigte mich bei ihr und versprach ihr, dass ich nicht mehr so mit ihr sprechen werde. Dass ich aber womöglich noch etwas Übung bräuchte…

Die restlichen Ferientage habe ich vor allem dafür gesorgt, dass ICH ausreichend Schlaf hatte. Also habe ich meinen südländischen Rhythmus über den Haufen geworfen und mich dem neuen Rhythmus meiner Tochter angepasst. Während ihrer Schlafenszeiten habe auch ich mich entspannt. Und wir haben wenig unternommen, haben zusammen im Garten gespielt und viel Zeit in der Natur verbracht. Wir haben die tanzenden Blätter im Wind beobachtet, die Ameisen, die über die Wurzeln geklettert sind und die Ästchen, die den Bach hinunter geschwommen sind. Diese Mami-Tochter-Zeit hat uns beiden extrem gut getan. Und ich konnte Kira wieder in ihrer ganzen Kompetenz und Quirrligkeit sehen. Auch den Rest der Woche sass sie beim Essen nicht ruhig am Tisch, dafür tanzte sie bereits beim Frühstück voller Lebenslust auf der Eckbank – und ist das im Grunde nicht viel mehr Wert? 🙂

Manchmal ticken wir Menschen – oder zumindest ich – schon seltsam: Ich wollte in diesen Ferien etwas «erreichen», wollte möglichst viel schreiben und vorankommen. War regelrecht getrieben – und vielleicht hat mir meine Tochter auch genau das gespiegelt. Früher habe ich unzählige Ratgeber gelesen und Weiterbildungen en masse besucht. Heute habe ich meine beiden grössten (und härtesten!) Lehrmeister direkt bei mir zuhause: Meine Tochter und mein Mann.

Meine Tochter und mein Mann lehren mich tagtäglich was es heisst, gelassen und geduldig zu sein. Was es heisst, klar und flexibel zu sein. Was es heisst, zu vertrauen und loszulassen. Sie lehren mich, mich selbst nicht zu vergessen und gut für mich zu sorgen. Und vorallem lehren sie mich, was wahre Liebe bedeutet.

Danke! <3

«Liebe bedeutet nicht, dass es immer einfach ist.
Liebe bedeutet aber, dass es die Mühe wert ist.»
Unbekannt


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Über mich

Ramona Wunderlin

Ich war schon immer an den grossen Zusammenhängen interessiert.
Daran, wie der Mensch, wie das Leben funktioniert.

Im wissenschaftlichen Psychologiestudium bekam ich ein paar Antworten darauf. Aber ich habe relativ rasch für mich erkannt: Das kann doch nicht alles sein…

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