Wege aus der Abhängigkeit – Destruktive Beziehungen überwinden

By on 29. November 2015, in Buchtipps

«Ich kann nicht nein sagen», «Ich kann nicht allein sein», «Wenn ich in einer Beziehung lebe, ist es, als ob meine eigene Welt verschwindet.» So beschreiben Betroffene ihre emotionale Abhängigkeit. Ein Phänomen, welches wesentlich weiter verbreitet ist als bisher angenommen. Wie kommt es zu dieser emotionalen Abhängigkeit, die oft zu Suchtverhalten, psychosomatischen Erkrankungen oder Depressionen führt?

Heinz-Peter Röhr veranschaulicht in seinem Buch «Wege aus der Abhängigkeit – Destruktive Beziehungen überwinden» anhand einer Märchendeutung und zahlreicher Fallbeispiele wie es zur emotionalen Abhängigkeit kommt, welche Formen sie annehmen kann und wie man sich davon befreien kann. «Die abhängige Persönlichkeitsstörung spiegelt sich in dem Grimm`schen Märchen ‹die Gänsemagd›. Im Vordergrund steht nicht die tiefenpsychologische Deutung des Märchens, sondern die Beschreibung der Persönlichkeitsstörung.» Der Ratgeber des Psychotherapeuten gehört wie auch «Narzissmus – Das innere Gefängnis» in die Kategorie der Bibliotherapie und trägt damit zum Verständnis psychischer Störungen bei und bietet eine gute Möglichkeit, sich selbst und seine Mitmenschen besser zu verstehen.

Das Diagnose-Manual DSM-IV beschreibt die abhängige Persönlichkeitsstörung als ein tief greifendes und überstarkes Bedürfnis, versorgt zu werden, das zu unterwürfigem und anklammerndem Verhalten und Trennungsängsten führt. Auch Menschen mit einer leicht abhängigen Persönlichkeit – bei denen man noch nicht von einer abhängigen Persönlichkeitsstörung spricht – sind oftmals in ihrem Leben eingeschränkt und können nicht ihr volles Potential leben.

Fast jeder kennt Ansporn auf folgende oder ähnliche Weise: «Nur wer hart arbeitet, kann sich später etwas leisten», «Du sollst es einmal besser haben als ich», «Mach mir Freude, indem du etwas wirst». Solche Antreiber können sich stark einprägen und eine Person bis ins Erwachsenenalter beeinflussen. Oftmals meinen Menschen mit einer abhängigen Persönlichkeit, dass sie ihre eigenen Ziele und Überzeugungen verfolgen – oft ist ihnen nicht bewusst, dass sie nur den Vorgaben der Eltern folgen und nach deren Wertmassstäben leben und handeln. Eine eigene Meinung zu haben fällt abhängigen Menschen schwer. «Menschen mit einer abhängigen Persönlichkeitsstruktur vertreten in nahezu allen Lebensbereichen die Meinung der Eltern. Dies betrifft sowohl moralische Vorstellungen, etwa zur Sexualität, politische Überzeugungen und viele weitere Haltungen. Betroffene selbst glauben, dass sie ihre eigene Überzeugung äussern, ohne zu bemerken, dass sie noch viel zu sehr in den übernommenen Meinungen der Eltern verhaftet sind und diese leben und fühlen.»

«In der Fachöffentlichkeit wird das Problem des emotionalen Missbrauchs in der Familie viel zu wenig berücksichtigt, obwohl gerade dies die Ursache für destruktive Abhängigkeiten ist. Die Sensibilität kleiner Kinder ist enorm, wenn es darum geht, die Erwartungen der Eltern zu erspüren. Sie nehmen jede Stimmung in der Familie auf und verarbeiten sie entsprechend. Sie fühlen, wenn die Eltern selbst Hilfe benötigen, und werden mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln versuchen, sie zu unterstützen. Der Abhängige musste sich früh verbiegen, eine Rolle zu spielen, die er vielleicht sogar glaubte, gerne spielen zu wollen. Wenn authentisches Leben nicht möglich ist, kann sich keine Selbstliebe entfalten. Ein solcher Mangel an Selbstliebe macht abhängig und bedürftig. Menschen mit einer abhängigen Persönlichkeitsstruktur leben sozusagen für andere und versuchen es ihnen recht zu machen. Dies äussert sich im Erwachsenenleben beispielsweise in Partnerschaften oder bei der Arbeit.

«Menschen mit einer abhängigen Persönlichkeitsstruktur zeigen extremen Einsatz und lassen sich typischerweise leicht missbrauchen und manipulieren. Als Mitarbeiter sind sie meist beliebt, da sie auch zu unangenehmen Arbeiten leicht herangezogen werden können oder diese auch von selbst übernehmen. Dies tun sie auch in Vereinen und Verbänden, in der Nachbarschaft, bei Freunden und Bekannten.»

«Viel zu viele Menschen finden sich damit ab, abhängig zu sein und zu bleiben, quasi lebenslänglich. Das Märchen ‹Die Gänsemagd› fordert dagegen heraus, will wachrütteln, den Weg zeigen, den es zu beschreiten gilt. Nichts ist schlimmer als vertanes Leben, und so ist es wichtig, die Autorität des Märchens ernst zu nehmen, die Botschaften zu verstehen und die notwendigen Änderungen auch wirklich vorzunehmen.»

Heinz-Peter Röhr vermittelt die abhängige Persönlichkeitsstruktur gut verständlich und zeigt sehr einfühlsam Wege auf, wie man sich aus der Abhängigkeit lösen und sein Leben selbst in die Hand nehmen kann – ein toller Ratgeber!

Auf ein selbstbestimmtes und unabhängiges Leben!

Ramona

 

 

Röhr, H.-P. (2012). Wege aus der Abhängigkeit – Destruktive Beziehungen überwinden (7. Auflage). München: Deutscher Taschenbuch Verlag. ISBN 978-3-423-34463-0.

Für Kaufinteressierte:

0

Reply