Wie Gedanken den Stress verstärken – Oder: Eine kurze Hasen-Geschichte.

By on 30. Juli 2016, in Sonstiges

Es ist ein wunderschöner Sommermorgen. Die Sonne scheint, der Himmel ist strahlend blau, die Temperatur genau richtig, die Wiese saftig grün. Mittendrin sitzt ganz vergnüglich ein kleiner Hase. Das schöne Wetter lockt viele Spaziergänger raus in die Natur – einer davon hat einen Hund dabei. Auf einmal erblickt der Hund den Hasen. Der Hund bleibt kurz stehen, schaut den Hasen an. Der Hase schaut zurück – als ob er wüsste, was als nächstes kommt und der Hund rennt los…

Beim Hasen wird blitzschnell das Stress-System aktiviert. Die Ohren gehen hoch und alle Sinne richten sich auf die Gefahr. Die Wahrnehmung ist hoch geschärft und eng ausgerichtet. Der Organismus gibt Vollgas, blitzschnell gehen Herzschlag und Atemfrequenz in die Höhe, Blutzucker und Blutfette machen aus dem Blut einen Supertreibstoff, die Muskulatur ist hoch angespannt, alle Reflexe sind aktiviert. Der Hase rennt los. Instinktiv rennt er im Zickzack und sucht nach Deckung. Nach wenigen Minuten der Verfolgungsjagd gibt der Hund auf und kehrt zu seinem Herrchen zurück – Puh.

Und was macht der Hase?

Er grast weiter.

Jetzt stellen wir uns einmal vor, der Hase wäre ein Mensch. Was würde der nach einer solch wilden Verfolgungsjagd tun?

Ja genau, er würde vor allem denken!

„Oh Mann, das ging gerade noch mal gut! Dem hab ich‘s gezeigt, der hatte keine Chance gegen mich! Aber an der einen Stelle hätte er mich fast gekriegt, da war er schon ganz nah dran. Da hab ich schon seine riesigen Zähne gesehen und ihn keuchen gehört. Boah, wie gefährlich der ausgesehen hat! Aber jetzt mal ernsthaft, Hunde gehören doch an die Leine! Man darf doch gar nicht mit dem Hund spazieren gehen, ohne ihn anzuleinen. Der Kerl setzt sich einfach über alle Regeln hinweg. Unglaublich, wie gefühllos und rücksichtslos! Hmm… Ob der wohl wiederkommt? Ob die öfter hier spazieren gehen? Ich glaub ich geh hier besser nicht mehr grasen – das ist viel zu gefährlich! Mein Kollege Detlef war doch schon öfter hier. Warum hat der mich nicht gewarnt? Wollte der mich etwa absichtlich in Gefahr bringen? Ich hatte immer schon das Gefühl, dass der mich nicht richtig mag… Moment mal, wo ist der Kerl mit seinem Hund eigentlich hingelaufen? Die gehen doch nicht etwa in den Wald?! Ich muss unbedingt meine Familie warnen, die laufen dem Hund doch direkt vor die Nase! Hmm… Heute war ich ziemlich fit, aber was ist, wenn ich in der Nacht vorher nicht so gut geschlafen habe? Oder wenn ich älter werde und ein wenig langsamer bin? Ich darf mir gar nicht vorstellen was passiert, wenn mich der Hund zu fassen kriegt! Wie viel man wohl noch mitkriegt, bevor man stirbt…? Spielen Hunde auch mit ihren Opfern, so wie Katzen mit Mäusen? Oh Gott, ich darf gar nicht daran denken! Das ist ja nicht zum Aushalten! Da kann man ja verrückt werden! Was ist das für ein Leben, bei dem man ständig in Gefahr ist, aufgefressen zu werden? Warum bin ich nur als Hase auf die Welt gekommen und nicht als Hund? Das ist gemein! Gemein und unfair!“

So in etwa könnte das aussehen. Der Kopf prall gefüllt mit Gedanken. Ja, da kann man wirklich verrückt werden! Und der Hase im Vergleich – der grast einfach weiter. Okay, das ist vielleicht etwas überspitzt dargestellt, aber die Geschichte verdeutlicht, wie sehr uns unsere Gedanken bestimmen können, wie stark wir uns in sie hineinsteigern und wie sehr sie unseren Stress verstärken können. Ja klar, bis zu einem gewissen Grad ist es sinnvoll und gut, sich Gedanken über solche Situationen zu machen – es bringt uns weiter und wir können daraus lernen. Aber eben nur bis zu einem gewissen Grad. Das häufig sinnlose „innere Geplappere“ kann eine Eigendynamik entwickeln und uns regelrecht im Stress gefangen halten.

Das Fazit ist nun natürlich nicht, dass wir nicht mehr denken sollten (obwohl das manchmal vielleicht auch gar nicht so schlecht wäre… ), sondern es geht vielmehr darum, sich die eigenen Gedanken bewusst zu machen. Und sie als das zu erkennen, was sie sind: nämlich Gedanken. Statt sie mit der Wirklichkeit zu verwechseln…

Sind Sie sich bewusst, welche Gedanken in Ihrem Kopf umher schwirren? Können Sie dieses Gedankenkarussell bewusst ausschalten und den Tag mit einem freien Kopf geniessen…?

Genau um solche stressverstärkenden Gedanken geht es übrigens im Seminar „Ich muss alles perfekt machen – oder nicht?“ vom 17. September 2016. Weitere Informationen dazu finden Sie unter Seminare & Events.

Herzliche Grüsse,
Ramona Wunderlin

 

Quelle: In Anlehnung an „Warum wir mehr Stress haben als ein Hase“ von Josef Schmitz aus Prof. Dr. Gert Kaluzas „Stressbewältigung: Trainingsmanual zur psychologischen Gesundheitsförderung“.